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AutorenbildLady Aislinn

Wiener Memoiren

Schon seltsam, man hat in Wien gewohnt, und nun logiert man in einem Hotel im gleichen Bezirk und geht an jenen Parks vorbei, die man als Kind regelmäßig besucht hat.



Ich fütterte als Kleinkind unter Anleitung meiner Mutter freche Meisen (und hatte großen Respekt vor ihrem Anflug auf meine Handfläche, weil es kitzelte und ein wenig kratzte) und flinken Eichhörnchen.

Ich ging an der Hand meines Großvaters durch die Schrebergarten Siedlung, und manchmal saßen beide Großmütter Arm in Arm auf der Veranda und sahen dem bunten Treiben der Enkel zu.


Nun ist alles verwachsen, hinter haushohen Hecken sind noch Überreste der alten Siedlung zu erkennen, aber die Leute wollen sich nur mehr abkapseln und verstecken, so scheint es mir. Den Gasthof im Park und den in der Siedlung (Schutzhaus) gibt es auch noch, aber dort, wo einst Schotterwege waren, ist alles zu-asphaltiert und zugeparkt, womit der alte Charme ebenfalls verloren ging. Viele alte Greißler sind verschwunden und Supermärkten gewichen. Der Verkehr ist nervtötend, man wird angehupt, wenn es zu langsam geht (umgekehrt werden Wiener Autos in Tirol gedrängt, als hätten es die Gebirgler immer furchtbar eilig).


Das Haus unsere Wohnung steht noch immer am gleichen Platz, ein Baum ist inzwischen in den zweiten Stock hinaufgewachsen, und der Lärm von fremdsprachigen Kindern hallt durch den Hof. Cousins und Cousinen erkennt man noch, aber deren Nachkommen sind uns schon fremd. Ein Abstecher zu meiner Cousine nach Baden weckt Erinnerungen an unbeschwerte Kindertage, sie hängt sich bei mir ein, und zusammen flanieren wir durch die Stadt.

Es ist etwas mühsamer geworden, ich mache frühzeitig schlapp, weil mich Hitze und Schuhe drücken. Meine Cousine ist rank und schlank wie eh und je, und ich nehme mir vor, sofort nach der Heimkehr nach Tirol den süßen Versuchungen, besonders in Form von Schokolade, zu widerstehen, was mir sicher nicht gelingt.


Einige Besuche in Heurigen-Lokalen im Kreise der Familie verlaufen ungewöhnlich nervenschonend, sogar erholsam. Die servierten Portionen sind nicht von schlechten Eltern, und ich bleibe bei meinem Pfefferminztee, obwohl ich mir schon etwas komisch vorkomme, in einem Heurigen keinen Wein zu trinken. :-)


Mit einer anderen Cousine unternehmen wir einen Abstecher zum Neusiedler See. Er ist ziemlich braun und nicht tief, ehrlich gesagt ist mir der Chiemsee lieber. Aber das darf ich nicht laut sagen, sonst hab ich es mir mit ihr verscherzt. Am Straßenrand wächst üppiger Mohn, wie ich es von zu Hause nicht kenne. Alles ist flach und weit, wunderschön….


Was ist daheim? Dort, wo man wohnt oder dort, wo das Herz hängt? In einer eigenartigen Mischung von Wehmut und Vorfreude auf das eigene Bett treten mein Vater und ich nach drei Tagen die Reise in den Westen an, wie immer überrascht uns ein heftiger Regenguss kurz nach Salzburg und wäscht die spärlichen Fliegen von der Windschutzscheibe. Auch die war früher vollgeklebt mit Insekten, wie so vieles, das sich geändert hat.


Ein bisschen bange wird mir ums Herz. Auch das ist ein neues Gefühl. Die Familie wird mir fehlen.

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