Ein Märchen mit historischem Hintergrund
Einmal im Monat berief der alte Graf seinen Hofstaat ein, um mit seinen zwei Töchtern, seiner Gattin und dem gesamten Gesinde Wichtiges und Unwichtigeres von seinem Hochsitz aus zu besprechen und zu verhandeln.
Seine Töchter zur Linken, die Ehefrau rechts platziert, sah er hinunter in den Rittersaal, ehe er mit vernehmlichem Klopfen seines imposanten Narrenstabs dem bunten Treiben Einhalt gebot.“ Nun, was habt ihr vorzubringen?” fragte er und ließ den Blick in die Runde schweifen. Da saßen die dralle Berta, Köchin ihres Zeichens, der Stallknecht Fries, der hagere Gärtner Blum, sowie der Zuckerbäcker Striez, nur um die wichtigsten zu nennen.
“Der Fries hat meine Tochter geschwängert”, rief Blum und deutete auf einen feisten Mann mit langem schwarzen Haar, das er nach neuester Mode schulterlang und wellig trug, als hätte er es seinen Pferden abgeschaut.
Falsch! ertönte es da von oben, und aller Blick richteten sich gegen die Decke. Der bunte Narrenkopf dort rollte drollig mit den Augen und blies die Backen so weit auf wie eine dicke Putte. “Es war letzten Sommer”, rief Blum erneut in die Runde, diesmal etwas lauter.
Wieder falsch, entgegnete der Narrenkopf, auch etwas vernehmlicher und stieß verächtlich die Luft aus. Die anderen Köpfe an der Wand kicherten vergnügt, der eine klimperte mit seinen Schellen an der Mütze, der rosa-gesichtige Geselle mit Nasenlöchern wie ein Ferkel grunzte dazu.“ Wem sieht der Balg denn ähnlich?”, wollte Berta wissen, “hat er etwa so schwarze Haare wie Fries?” Und sie kicherte mit dem Narrenkopf um die Wette. “Ja natürlich”, log Blum.
Schon wieder falsch, meckerte er erste Narrenkopf, das Ding ist so blond wie Bohnenstroh. Der Bäcker erbleichte, denn Blums Tochter kehrte verdächtig oft in der Mühle ein, unter dem Vorwand, das Mehl für ihn zu besorgen. Und der blonde Striezel-Sohn war nicht eben für seine Keuschheit bekannt.
“Ihr wollt mich wohl um meine wohlverdienten Gulden bringen, Blum”, erboste sich Fries und drohte mit seinem grobschlächtigen Finger. “Bei mir gibt es nichts zu holen, merk dir das, du schrumpelige Birne." “Damit wäre die Sache also geklärt”, rief der Graf in den allgemeinen Tumult und erhob sich. Gottlob ist dieser kleine Hurensohn noch nicht zu seinen Töchtern vorgedrungen, dachte er dabei; “Striez wird für den Unterhalt von Blümchen sorgen”, fuhr er fort, “und beizeiten werden wir” - er deutete großzügig auf seine Familie- “ihr einen Platz im Garten beschaffen. Und nun lasst uns zur Tafel schreiten, ich habe mächtig Hunger.
”Die Narrenköpfe rollten vergnügt mit den Augen und sahen der bunten Schar nach, wie sie einer nach dem anderen unter dem Türbalken mit der geschnitzten Rose hindurch nach draußen eilte.
Es war die Rose des Schweigens, und niemand erfuhr jemals von der Herkunft des Blümchens in der gräflichen Wiese.
von G. B. Bowman aka Lady Aislinn
Die Maiglöckchensuppe & andere Kürzestgeschichten ”Schweigerose und Narrenköpfe von Burg Eltz (D)."
Der Narrenkopf war im Mittelalter das Symbol der Redefreiheit, die Schweigerose das Symbol der Verschwiegenheit. Im Rittersaal der Burg Eltz befinden sich als Verzierungen an Pfeilern bzw. über der Tür Narrenköpfe und eine Schweigerose