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AutorenbildLady Aislinn

Kunstgeschichtler

Angehende Kunstgeschichtler sind ein oftmals seltsames und buntgemischtes Völkchen: Quer-, Um-, Einsteiger oder Hobbystudenten, die zufälligerweise eine Burgruine besitzen oder gerne Exkursionen mit fachgerechter Unterstützung nach Italien unternehmen, sowie Omis, die eine zweite Karriere anstreben oder bloß einem interessanten Zeitvertreib frönen.



So saß man relativ eng gedrängt auf seinem Stühlchen mit sehr provisorisch integriertem Tischchen (von dem größere Mengen an Schreibutensilien oder Papier stets zu Boden segelten) in einem eher klein geratenen Vorlesungs-Saal (Saal wäre jetzt etwas übertrieben, Raum trifft es wohl eher) und bemühte sich, dem Stoff des Vortragenden bzw. der Vortragenden auch noch von ganz hinten zu folgen, zu verstehen und dann in aussagekräftiger Kurzfassung zu Papier zu bringen.

Hier blieb keine Zeit, Skripten mit Blumen- oder Ornamentmotiven zu verzieren, so wie in manch etwas trockenen Vorlesungen über Neuere Deutsche Literatur oder: "Heldentypologien - Die Konstruktion des heroischen Protagonisten in der europäischen Epik des Mittelalters". (oder so ähnlich.... aber das ging ja noch; diesen Titel hab ich eigentlich von der Uni-HP geklaut), und das gestaffelte Sitzen der Germanistik Studiosi im überfüllten Vorlesungssaal erinnerte mich immer noch an unsere gefürchteten Chemie- oder Physikstunden.


Auch die Kunstgeschichte-Prüfungen gestalteten sich für mich manchmal kurios. Immer irgendwie verweht und nervös, brachte ich kaum ein vernünftiges Wort geschweige denn einen passenden Satz auf des Prüfers Fragestellung heraus, wurde noch blasser als sonst und beneidete meine Studienkollegin M. ob ihrer fachkundigen und souveränen Antwort. Wenn ich vorzeitig aus dem Prüfungsraum taumelte, mit einem gerade noch ergattertem Genügend, wurde ich mitleidig begutachtet, gerade dass man mir kein Glas Wasser reichte und den Rettungssanitäter verständigte. Proseminare mit Vortrag vor versammeltem Publikum fand ich schrecklich. Lieber hätte ich meine Niederschrift ohne viel Aufhebens direkt dem Professor überreicht, auf dass er es begutachte und mich ohne schiefen Blick mit einer positiven Bewertung beglückte.


Komischerweise blieb mir ein Proseminar über Tiroler Flachdächer am besten in Erinnerung und dass man in Tirol nicht umsonst Satteldächer baute- wegen der Schneelast. Daran muss ich stets denken, wenn ich die grässlichen Wohn-Würfelchen sehe, die derzeit im Mode sind, mit riesigen Glasfenstern, vor denen tagein, tagaus die Jalousien wegen der Sonneneinstrahlung entfaltet werden. Schneelast gibt es bei uns zwar schon lange nicht mehr, aber hinter den Jalousien käme ich mir vor wie in einem noblen Gefängnis. Und warum sie in Innsbruck diesen scheußlichen schwarzen Würfel (Haus der Musik) neben das Landestheater gesetzt haben, ist mir ein Rätsel. Das vorherige Ensemble gefiel mir besser (ich ging ja tagein, tagaus daran vorbei zur Busstation, und zwar nach der Schule, und zu den vor dem Theater platzierten Pferdekutschen. Theater und Pferde, das war der ultimative Freizeitkick). Das Gemäuer war zwar veraltet und teilweise sogar verschimmelt, aber das Stadtcafe ein beliebter Treff von Studenten. Und es passte alles zusammen, aber wahrscheinlich ist diese Version ein besonderes Exemplar moderner Vorzeigearchitektur. Und ich kapier es bloß nicht. (Durch die Glasfassaden, in denen sich die Hofburg spiegelt, wird der Anblick etwas erträglicher .)


Das Sammeln der begehrten Kunstgeschichte-Zeugnisse gestaltete sich zu einer der Hauptbeschäftigungen des Studiums. Und um diese zu erreichen, bedurfte es einer durchaus logischen und fachübergreifenden Denkweise, die mir leider nie zu eigen war. Ich versank lieber in der Betrachtung der feilgebotenen Diashows und vergaß dabei die wichtige Mitschrift (welche sich teilweise wegen der vorherrschenden Raum-Dunkelheit durchaus schwierig gestaltete). So manche Kritzelei einer Sitznachbarin, die sie mir dankenswerterweise in Kopie überreichte, war kaum zu entziffern, meine Mitschriften ein Sammelsurium von diversen Wortfetzen, die es galt, in einen einigermaßen verständlichen Kontext zu bringen. Zum Glück waren die Vortragenden durchwegs freundlich, verständnisvoll und nett (besonders zu denen, die aus Wien stammten, dem Zentrum der kulturgeschichtlichen Historie), und ich habe es schließlich doch noch geschafft, alle Zettelchen erfolgreich zu sammeln.


Dass ich berufsmäßig und als Hypochonder und Masochist (ich weiß, ich wiederhole mich) dennoch mehr zum Medizinischen tendierte, ist ein Mysterium der menschlichen Überlebenskunst.

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