Überraschende Kehrtwendung
Unweit des gräflichen Ansitzes, mitten in einem verwunschenen Garten, wo die Wiesen-Blumen noch erlaubt und die Hecken nicht geschnitten wurden, hatte die Prinzessin ein kleines Häuschen errichtet, in dem allerlei Vögel Zuflucht und Futter fanden.
Für die Meisen eines zum Brüten, für die Amseln eines zum Fressen, und die vielen Sperlinge und Finken ließen sich furchtlos auf ihren Schultern und ausgestreckten Armen nieder. So manch niedliches Jungvögelchen hüpfte herbei, wenn sie den Garten betrat, mit ihrem Schüsselchen voller Leckereien. Manchmal huschte ein kleines graues Mäuschen durch die Wiese und sah allerliebst aus, ein Körnchen knabbernd, einem kleinen Eichhörnchen gleich.
Es duftete betörend nach Flieder und später nach all den bunten Wiesenblumen, und die Hexe von nebenan plagte sich vergeblich in ihrem Konkurrenzkampf um den schönsten Garten. Zurechtgestutzt wurde jedes Blümchen, kein Vogel sang, keine Bienen summten, und kein vorwitziges Hälmchen durfte auf ihrer Wiese sprießen.
Dafür klimperten und klapperten die in knorrigen Bäumen aufgehängten Knöchelchen schaurig im Wind, gegen bösen Zauber oder als makabre Zierde in einem makabren Garten. Nachts funkelten die Glühwürmchen und zirpten die Grillen im gräflichen Anwesen, derweil es drüben dunkel und unheimlich blieb. Aber des nachts geschah auch etwas Seltsames. Die liebliche Prinzessin schritt durch den Zaun hindurch, als wäre er nicht vorhanden, und ihr weißes Kleid nahm eine schwarze Farbe an.
Dann wuchsen ihr lange Fangzähne, und das Haar stand ihr wirr vom Kopf ab, wie der alten Hexe. Fröhlich klimperte die Knochen im Nachtwind, als die schwarze Prinzessin das knorrige Haus betrat, und sagte. “Guten Abend, Mutter, ich habe schrecklichen Durst!”
Und die alte Frau, die einmal so schön gewesen war, dass sich der Graf nach ihr verzehrt hatte, lächelte, und ihre langen Zähne funkelten im Mondlicht.“ Dann lasst uns eilen, mein Kind, bevor der Tag anbricht.” Und die beiden nahmen sich an der Hand und entschwanden durchs Fenster in die mondhelle Nacht.