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AutorenbildLady Aislinn

Excursus Nr. 4: Latein...

"Lateinisches Kauderwelsch oder das schwarze Büchlein"



Das Buch der Erinnerung öffnet sich abermals, und wieder ist es Scham, Unzulänglichkeit, die mich befällt, denke ich zurück an schmale rote Büchlein, in die, aneinandergereihten Buchstabenformeln gleich, Sätze gedruckt waren, die Chinesisch nicht ähnlicher hätten sein können und die es zu entziffern galt. Puella cantat, nun gut, das verstand mein unlogisches Gehirn gerade noch, aber verschachtelte Grammatikbomben waren dann doch zu viel. Ehe mein Hirn explodierte ob der drohenden Zündschnuren, an denen der Stift des Lehrkörpers baumelte, kapitulierte es vorsichtshalber.


Was mir regelmäßig ein vernichtendes Urteil und die Einladung zur Elternsprechstunde einbrachte. (also nicht ich wurde eingeladen, sondern meine armen, geplagten Eltern, die so ein störrisches Kind gezeugt hatten). Der Stift, mit dem mein Name einst in ein Notizbuch geschrieben war, und zwar, wie ich erspähen konnte, in Kurzschrift, warum auch immer, teilte Zahlen von eins bis fünf aus und gehörte zu einem vornehmen, äußerst gebildeten Philologen. Und der Name wiederum, der in das schwarze Büchlein verewigt wurde, stand für den Kandidaten, der im Schweiße seines Angesichtes das Kauderwelsch, man möge mir verzeihen, zu entziffern hatte. Ich saß damals mit meiner Schulkollegin in der ersten Bank, weswegen ich Einblick in Klassen- und gefährliche kleine Notizbücher hatte.

Im Laufe der Zeit entwickelte ich eine bemerkenswerte Technik darin, vorauszusagen, wem die nächste Ehre gebührte, und stand mein Name nicht darin, konnte ich mich einigermaßen entspannt zurücklehnen. Stammelte ein Kandidat allzu sehr um den heißen Brei, riss dem äußerst gebildeten Philologen schon einmal der Geduldsfaden. “Berger blöd?” bellte er in das Klassenzimmer, dessen Insaßen daraufhin klammheimlich und nervös zu kichern begannen. “NUN?? wie heißt es richtig?” Immer noch mit geduckten Köpfen, auf dass das Donnerwetter nicht uns Übriggebliebene erfasse, lieferte der Philologe auch gleich die Auflösung: “Berger IST blöd!” Das saß und brachte Berger ein fettes Nichtgenügend ein. So war das. Ich hatte Berger nicht warnen können, da der Philologe kaum einen Meter vor mir auf dem Pult thronte, und er tat mir in diesem Augenblich ziemlich leid (der Berger).

Ich glaube, ich muss vor jenen unendlich langen 50 Minuten immer zittrig nach dem schwarzen Büchlein Ausschau gehalten haben, eigentlich starrten alle wie gebannt auf seine Eröffnung, war es doch stets totenstill am Beginn der Stunde mit dem sehr gebildeten Philologen.

PS. Sollte unser damals geliebt-gefürchteter KV dies jemals wider Erwarten zu Gesicht bekommen, bitte ich um Nachsicht. Wir waren schon immer ein schwer erziehbarer und unberechenbarer Haufen :) Quod utinam minus vitae cupidi fuissemus! certe nihil aut non multum in vita mali vidissemus. Quod si nos ad aliquam alicuius commodi aliquando recuperandi spem fortuna reservavit, minus est erratum a nobis.

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