"Bildnerische Erziehung & Musikunterricht"
Neben Englisch und Deutsch meine absoluten Favoriten (und Biologie, aber da war schonmal ein sehr gestrenger Herr dabei). Über den witzigen Pädagogen Hickel habe ich ja schon berichtet, über den weißhaarigen Troubadour am Klavier noch nicht.
Er hatte die Angewohnheit, sein Haupt an unser Ohr zu halten, um festzustellen, wie unsere Stimmbänder gestaltet waren, ob man falsche oder richtige, laute oder leise Töne von sich gab und fing beim Prüfen immer im Alphabet von vorne an. Welches zur Folge hatte, dass Adam und Eva (oder eben Bowman) immer zum Handkuss kamen, die ganz hinten aber erst in letzter Sekunde, quasi vor Abgabeschluss der Noten.
War ein bisschen ärgerlich, aber man nahm es in Kauf, denn er bearbeitete sein geliebtes Klavier mit so großer Begeisterung und Inbrunst, dass es das Jungvolk förmlich zum Singen drängte, egal, ob falsch oder richtig .
Alles andere, auch das Noten Verteilen, war Nebensache und wurde schnell abgehandelt. Irgendwie ging man fröhlicher und beschwingt aus dem Musikunterricht, es sei denn, eine Mathematik-Schularbeit stand bevor. (Dann wurde man wenigstens nicht auf Latein abgeklopft, da ließ der ungeheuer gebildete Pädagoge Milde walten.)Das Prüfen war auch nicht des Hickels Ding.
Wir durften nach Herzenslust unserer Kreativität freien Lauf lassen und uns ungeniert im Klassenzimmer bewegen, um anderen über die Schulter zu schauen. Man schaute mir dabei mit Stielaugen recht häufig über die Schulter, weil mich der Herr Professor mehr als einmal lobend erwähnte, und da wurde man neugierig. “So soll es aussehen,” sagte er dann zu den Banausen, und das war für einen unterrichtenden Künstler eigentlich sehr nett.
Wurde ihm der Lautpegel zu hoch, bediente er sich seines Lieblingsspruches vom bösen Affen, was besonders bei der männlichen
Belegschaft große Heiterkeit hervorrief, als fühlten sie sich angesprochen.
Meine Werke prangten hinten auf der Pinwand des Zeichensaales, was mich mit Stolz erfüllte.
Herr Professor Hickel verstand meine mathematischen Nöte und tröstete mich am Tag meiner größten Niederlage: ich versaute meiner Klasse die weiße Fahne, ich gebe es kleinlaut zu. War ich damals die Einzige? Ich weiß es nicht mehr, aber im darauffolgenden Herbst hatte man Erbarmen mit mir und ließ mich endlich mit Mathe (Matheeeeees in unserem Slang, oder auch verniedlichend “Maths”) in Ruhe.
Übrigens war ich auch im Singen gut, ja, ich träume manchmal sogar davon, dass ich Arien schmettere und Opern verfasse, bin aber ziemlich ratlos, was dies zu bedeuten hat, denn es nützt mir nichts, wenn ich es im Schlaf mache.
Was mich im Nachhinein wundert: dass ich vor Schularbeiten eigentlich recht gut schlummerte und auch nicht 100x aufs Klo rannte vor der Mathe-Stunde. Ich glaube, ich würde auf Gefahren heute anders reagieren, sie gar vermeiden. Aber das ging damals nicht, alle Schwänzer bekamen am Ende des Schuljahres ihr wohlverdientes Fett ab…
Bilder von Johannes Hickel von G.B. Bowman aka Lady Aislinn
“Non vitae sed scholae discimus” (Seneca) Perlen aus dem schulischen Alltag