"Ode an den Klassensprecher"
Der Klassensprecher nahm stets eine bevorzugte, bedeutende und verantwortungsvolle Stellung ein. Er musste von tadellosem Ruf sein, eventuell Vorzugsschüler und Nerven wie Stahl haben, stets bedrängt von den KameradInnen, ihnen den Karren aus dem Dreck zu ziehen. Er musste sich wagemutig vor den KV stellen, um ihn zu bitten, von Prüfungen abzusehen, da eine Mathe-Schularbeit anstand. (Umgekehrt ging es logischerweise nicht, eine Mathe-Arbeit zu verschieben, weil wir Latein lernen mussten). Der KV gab auch leise seufzend nach. Ich dachte mir immer, dass das Übel nur vertagt, aber nicht vergessen wurde und nachgeholt werden musste, und dass sowas den Zeitplan des Pädagogen durcheinander brachte).
Was dem Klassensprecher alles für Aufgaben übertragen wurden, bekam ich nicht weiter mit (für Interessierte gibt es da einige Ratgeber im Internet), für uns war es nur wichtig, dass er unsere Anliegen vertrat, und eben war das meistens, uns zu entschuldigen. An zwei Klassensprecher kann ich mich noch gut erinnern, es waren sehr seriöse Burschen, aber nie Mädchen.
Ich weiß auch, dass sie später sehr seriösen Berufen nachgingen, wir hatten also schon damals gut gewählt… (wie wir gewählt haben, ob mit kleinen Zettelchen, Wahlurne usw. entzieht sich meiner Erinnerung, ganz so geheim wird es wohl nicht gewesen sein, denn der Kandidat stand meist schon im vornherein fest).