Eine Gutenacht-Geschichte der etwas anderen Art
Und es begab sich, dass die Rabenfrau eine Erzählerin und ihr Gastgeschenk aus dem Land der löchrigen Stinkmorcheln empfing, weil man ihr gesagt hatte, jene sei eine ausgezeichnete Erzieherin und nebenbei Geschichten-Erzählerin zur Erbauung des blondgelockten Knaben, der zu den Füßen seiner Mutter saß und ängstlich auf die fremde Frau schielte, aus deren Mund gar absonderliche Laute kamen, die er nicht einzuordnen verstand.
Immer mehr Worte sprudelten, einem Wasserfall gleich, aus ihrem Mund, und sie tat der Mutter schön, dass sie sich “wunderbar” um den Knaben kümmern würde, besonders beim Zubettgehen, da erzähle sie “wunderbare” Geschichten.
Allmählich wurde es dem Knaben zu bunt, er hielt sich die Ohren zu ob des gutturalen Wortergusses und kreischte: “Ich will die nicht, ich will das nicht, ich will das alles nicht!”, und er stampfte wütend mit den Füßen auf, sodass seine Mutter ihn tadelnd anblickte.
Wiewohl er an ihrem Blick erkannte, dass die Erzählerin langsam, aber unaufhörlich ihre Geduld zu strapazieren begann und die Rabenfrau alsdann etwas Verschwörerisches vor sich hin murmelte, das dem Knaben noch mehr Angst einflößte.
Allmählich begannen die Worte, die unablässig aus dem Mund der Erzählerin sprudelten, Formen anzunehmen, zuerst wie Blasen aus dem steten Öffnen und Schließen eines bleichen Fischmundes, dann wie sich windende Würmchen, und immer mehr und mehr wurden es, die hervorquollen, schlangengleich, während ihr Leib langsam in sich zusammensank, bis nur mehr ein kleines Häufchen Lumpen am Boden lag und dabei stank wie das in Tücher verhüllte löchrige Gastgeschenk.