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AutorenbildLady Aislinn

Die schwarze Nana und Großätti

Tagebucheintrag des Raben-Knaben:

"Nun, da ich von meiner Großmutter väterlicherseits erzählt habe, darf ich die andere nicht vorenthalten.



"Nana" (was auf Rätoromanisch Großmutter bedeutet) entstammte einem alten friaulischen Adel, aber da sie die Landschaft und Bewohner nie hatte leiden mögen, sprach man in der Familie kaum darüber. Sie war ein ernstes Mädchen gewesen, das auch in späteren Jahren wenig lachte und auf Fotos stets kühle Zurückhaltung übte.


Ab und zu beklagte sie sich über die groben Sitten der Bevölkerung und dass sie missverstanden oder ob ihres ungewöhnlichen Auftretens gemieden wurde. Man nannte sie arrogant, sie halte sich für etwas Besseres und meide einheimische Bewerber, die sie plump und grob empfand. Dabei stimmte das alles nicht, sie war nur immer sehr zurückhaltend und mied laute Gesellschaften.



Stets trug sie schlichtes Schwarz, die ebenso pechschwarzen Haare streng zurückgekämmt.

Selbst als sie meinen Großvater, einen Schlossverwalter, kennenlernte, legte sie das Schwarz nicht ab, und das Hochzeitskleid, das meine Rabenmutter erbte, glich eher einem tristen Trauergewand.

Ich bin mir aber sicher, dass sie ihn sehr geliebt hat, obwohl er um Vieles älter war als sie selbst, denn sie hatten die gleichen Interessen und Vorlieben, vor allem für Raben.


Großättis Bart war so lang, dass seine Vögel darin nisten konnten, und er trug stets eine Augenklappe, die ihm ein verwegenes Aussehen verlieh. Nanas Lieblingstiere, schwarze Kaninchen, bevölkerten zusammen mit dem Federvieh ihr kleines Anwesen auf einer lauschigen Insel, wo das Wasser beruhigend gegen das Ufer schwappte und was Nana ein wenig aufzuheitern schien. Jene Kaninchen durften nicht gegessen werden, ebenso wie die schwarzen Hühner mit den lustigen Federfüßen, sie starben alle samt und sonders lediglich ergraut an Altersschwäche.


Als Großätti das Zeitliche segnete, war Nana gezwungen, meine Mutter alleine großzuziehen, aber sie vermählte sich nie wieder, sondern ging zurück auf die Insel in das dortige Kloster, als mein Vater der Rabenfrau ein Kind machte und weil ihr der sonderbare blonde Mann, der die Sonne und das Tageslicht mied, nicht geheuer war. Sie sagte, sie wolle für ihn beten, denn schon früh wusste sie, dass mit ihm etwas nicht in Ordnung war.

Den sechsten und siebten Sinn vererbte sie meiner Mutter, aber sie betonte vor ihrem Ableben immer wieder, Mutter solle die Finger von schwarzer Magie lassen, sodass ich vermute, sie habe damit schlechte Erfahrungen gemacht. Man erzählt sich im Kloster, dass die letzten Raben die Insel verließen, kurz bevor Nana starb und nie wiederkehrten.

Dies ist die Geschichte von Nana und Großätti, wie ich sie im Gedächtnis behalten habe. "



In Dankbarkeit… der Rabenjunge

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