Ein leicht autobiografisches Märchen
Da sich die Prinzessin im Alter von 20 Jahren noch zu keiner Heirat geschweige denn zu einem Ehemann und Kindern, wie es der Brauch war, durchringen konnte, beschloss ihre genervte Mutter, eine Liste der in Frage kommenden Kandidaten zu erstellen.
So trat im Rahmen eines jeweilig aufwändigen Banketts ein junger Mann nach dem anderen, Prinz oder Grafensohn, auch manch älterer Haudegen, vor ihre gestrengen Augen und wurde von oben bis unten abschätzend betrachtet und befragt. Die Prinzessin musterte gelangweilt einen nach dem anderen, einen jungen, unscheinbaren, blonden und für ihren Geschmack infantilen Königssohn, von weither angereist, oder einen dunkelhaarigen Adeligen aus dem Süden, mit sonnengebräunter Haut.
Sie alle bezogen nach einer teils mühsamen Anreise Quartier und mussten mit der Prinzessin im Garten unter der strengen Aufsicht einer Anstandsdame Konversation betreiben und lustwandeln und eventuell anbandeln.
Die Prinzessin stand dann ratlos vor dem Spiegel und probierte ein Kleid nach dem anderen aus, welches wohl zum jeweiligen Anwärter passen möge. Beim Haudegen aus dem Norden entschied sie sich für ein Leinenhemd und einer ledernen Hose ihres Bruders und steckte sich die Haare ohne Hilfe ihrer Zofe zu einem losen Knoten im Nacken zurecht. Ohne Perlen und ohne Firlefanz, was sie am liebsten hatte.
Ihrer Mutter, die unangemeldet hereinrauschte, stieg die Röte ins Gesicht, sei es aus Ärger oder Scham. "Mit diesem Gewand kannst du nicht unter Leute gehen, das ziemt sich einer Prinzessin nicht, man könnte fast meinen, du bist nicht meine Tochter, sondern die eines Stallknechts", lamentierte sie und rauschte in ihren raschelnden Gewändern hinaus, als habe man sie persönlich beleidigt. Dann erst recht, dachte die Prinzessin, und der Damensattel kann mir gestohlen bleiben. Der bärtige Haudegen war ihr noch der liebste von allen, weil er mit ihr die Liebe zur Freiheit, der See und den Pferden teilte. Das war aber auch schon alles. Ihr Standardsatz war: tut mir leid, ich kann Euch nicht heiraten; eher gehe ich ins Kloster, fügte sie gedanklich hinzu.
So kam es, dass alle Anwärter unverrichteter Dinge wieder abzogen. Soll doch mein Bruder Kinder in die Welt setzen, dachte die Prinzessin patzig und hüllte sich wieder in schlichtes Schwarz, welches mit ihrer vornehmen Blässe vortrefflich harmonierte.
Und wie es das Schicksal wollte, verliebte sie sich auf dem Weg ins Kloster in den neuen Pferdeknecht, ganz unstandesgemäß, aber umso heftiger. Dass dieser adliger Herkunft war, stellte sich erst später heraus, und so wandte sich doch noch alles (vorerst) zum Guten.