Mins und Minnis-Märchen, an YT
Anscheinend war es dem von den Knochenweibern geschmorten Geschmeiß “Minn” noch gelungen, sich zu vermehren, bevor es endgültig verbrutzelte und verzehrt wurde. (“Das zweite Geschmeiß”).
Denn als eines nebligen Herbsttages die Rabenfrau zum Pilze sammeln aufbrach, fand sie unter einem alten, knorrigen Baum einen seltsamen Haufen schwarzen Gewürms, der üblen Geruch verbreitete.
Als sie vorsichtig nähertrat, konnte sie die Überreste eines toten Tieres entdecken, an dem sich abertausende stachelige Würmer gütlich taten. Es war nicht so, dass sie sich ekelte, aber sie dachte beklommen an das Ungetüm von Geschmeiß, halb Fliege, halb Käfer, mit den monströsen, tellergroßen Flügeln und den fleischigen Beinen, das die Hexen mit Genuss verzehrt hatten und das wohl das Endprodukt einer grausigen Metamorphose gewesen war.
Von allen Seiten schlängelten sich Würmer nun eiligst auf sie zu, wohl in der Absicht, ein weiteres Opfer zu überfallen und zu verspeisen. Sie trat rückwärts die Flucht an und verlor dabei den Korb mit den gesammelten Pilzen. Sogleich nahmen die Würmer mit lautem Schmatzen das ungewöhnliche Festmahl in Angriff, eins schmatzte lauter als das andere, ekelerregend und obszön zugleich.
Doch plötzlich wanden sich einige und krümmten sich, als sei ihnen der Genuss der Pilze nicht bekommen. Die Rabenfrau kannte die Pilze sehr wohl: es waren solche, die erst durch langes Kochen und Garen genießbar wurden, und selbst dann nur in Maßen. Einige Minnis blähten sich zu dreifacher Größe auf, andere platzten (aus Gründen der Pietät sage ich nicht, wie sie danach aussahen), sodass die Rabenfrau eilig ihre Röcke raffte und den Korb Korb sein ließ.
Der Gestank verfolgte sie noch eine ganze Weile, auch das Platzen, so laut, als zersteche man hunderte Ballons auf einmal. Ohne Pilze, aber dafür mit der Gewissheit, etwas zur Reduzierung des Geschmeißes beigetragen zu haben, erreichte sie etwas atemlos das Raben-Häuschen und fand erst zur Ruhe, als sie ein köstlich duftendes Pilzgericht zubereitete für den Rabenjungen, von dem er garantiert nicht einmal Bauchgrimmen bekam.