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AutorenbildLady Aislinn

Der süße Junge von nebenan

johnny depp in edward scissorhands

Ein kurzes, aber grausiges Märchen

Der süße Junge war eigentlich gar nicht so nett, wie er aussah, er hatte teuflisches Blut von seiner Mutter geerbt, der Keifzange.

War sie außer Haus, brüllte er vor Zorn und Kummer, sie habe ihn auf immer verlassen, er brüllte den Nachbarn nieder, der sich vorsichtig der Hecke näherte und heulte Rotz und Wasser. Man wagte kaum, ihn zu trösten, dass seine Mutter doch sicher wieder komme. War sie zu Hause und brachte ihm saftige Brezeln mit, schluchzte er immer noch und hickste vor unterdrückter Wut.

Sein Spielzeugkasten sah sonderlich aus, es war mehr ein Werkzeugbehälter mit Sägen, Scheren, Zangen, Nägeln und Messern, womit er seine wohl gemeint überreichten Spielgefährten an den Zaun nagelte oder ihnen den Kopf abschnitt.

Bald glich der Gartenzaun einem Puppen- und Teddy-Friedhof, und auf dem Rasen kugelten die abgesäbelten Köpfe, die seine Mutter seufzend einsammelte und in einen großen Abfalleimer beförderte. Jede Nacht befreite sie heimlich die Puppenleichen, die zum Glück niemand sah, weil die Hecke inzwischen wieder nachgewachsen war. Dann entfachte die Hexe ein Feuer in einer großen Schale und übergab die schändlichen Überreste den Flammen.

Der Junge ging nicht mit seinen gleichaltrigen Freuden spielen, sondern mit seiner Säge auf deren Spielwiesen, um Schaukeln, Rutschen etc. zu demolieren und freute sich, wenn die Jungen vor Schmerz heulten wie er. Mit kleinen Zangen riss er sich selbst die Milchzähne aus, und manche Schere knipste ganze Blumenwiesen zu Tode.

Dass diese Untaten nicht ungestraft blieben, versteht sich von selbst. Eines Nachts, als sich der Junge aufmachen wollte, um im Garten zu wildern, merkte er zu seinem Entsetzen, dass ihm Scherenhände gewachsen waren, wie sie der gute Edward Scissorhands alias Johnny Depp unfreiwillig trug.

Er konnte nichts mehr angreifen geschweige denn demolieren, und als er zu Tisch saß, kullerte ihm alles zu Boden. Seine Füße und Zehen verwandelten sich zu harten Stahlzangen, dass er nicht mehr laufen konnte, ohne umzukippen.

Seine Mutter stand händeringend neben ihm, und ihre ganze schwarze Magie konnte nichts gegen den Zauber ausrichten. Da dem Jungen der Mund zugenagelt war, verhungerte er schließlich bei vollem Tisch und verlor zu aller Letzt noch den Kopf, weil ihm der Hals wie von Zauberhand angesägt wurde. Seine Mutter sammelte jammernd die Überreste ihres Jungen ein und begrub sie im Garten, dort, wo es niemand sah. Auf dem Grabhügel aber wuchs ein absonderlicher Baum mit Blättern wie von Scherenhand geschnitten und Ästen, die wie Zangen in den Himmel ragten.

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