von Fritz Rabensteiner/Leseprobe/neobooks 2020
Der 18-Stufen-Plan
Ich habe neulich im Fernsehen einen Bericht über ein Altersheim in Osttirol gesehen, wo sie Rollator-Tanzen anbieten.
Acht Frauen stehen im Kreis und klammern sich an ihren Rollatoren fest. Zwei Männer sind im Raum. Einer bedient den Plattenspieler, der andere ist Notfallsanitäter.
Und dann geht es los. Einen Schritt nach vorne, einen zurück. Und immer mit der Hand schön fest auf der Bremse, damit sie durch die Fliehkraft nicht aus dem Zimmer rollen. Wahnsinn. Schnitt. Neue Einstellung. Jetzt sitzen sich die Frauen gegenüber, also vier gegen vier, und werfen sich unter größter Mühe Bälle zu.
Bälle trifft es jetzt nicht ganz. Es sind so Dinger, mit denen Kinder am Strand spielen. Plastikhaut zum Aufblasen. Angeblich wäre diese Übung gut für die Koordination.
Wenn der Tag kommt, an dem ich Mühe habe einen Luftballon zu fangen, der mit zwei Stundenkilometern auf mich zugeschossen kommt, dann hänge ich mich auf. Ich fürchte allerdings, das wird dann ohne fremde Hilfe nicht mehr möglich sein. Ich muss Vorsorge treffen, zumal ich bereits in einem Alter bin, wo man seine Dinge regeln sollte.
Vor ein paar Monaten war ich beim Hausarzt, um meine Bestandteile prüfen zu lassen. Alles bestens, sagte er, überall im grünen Bereich. Das ist natürlich ein Stück weit beruhigend, allerdings kann sich das in meinem Alter sehr schnell ändern und zack, schon ist der erste Schaden da. Und dann noch einer, und noch einer, und dann ist es zu spät, um eigenständig handeln zu können.
Ich habe mir daher einen 18-Stufen-Plan zurecht gelegt, den ich ehrlich und konsequent abarbeite und der mir rechtzeitig zu verstehen gibt, hoppla, jetzt ist der Ernstfall eingetreten, es wird Zeit auf den Stuhl zu steigen. Sie können diesen Plan 1:1 übernehmen oder nach ihren Wünschen abändern. Wichtig ist nur, dass sie den Absprung nicht verpassen. Und sollten wir uns mal im Altersheim begegnen, dann sage ich es jetzt schon in aller Deutlichkeit: Ich tanze nicht. Niemals, und unter keinen Umständen.
Stufe 1: Ich suche meine Brille, obwohl ich sie trage.
Stufe 2: Ich werde Großvater.
Stufe 3: Ich gehe in Rente.
Stufe 4: Im Bus wird mir ein Platz angeboten, und ich nehme ihn auch dankbar an.
Stufe 5: Ich vergesse meinen PIN-Code und zahle wieder bar.
Stufe 6: Meine Enkeltochter erklärt mir mein neues Seniorenhandy.
Stufe 7: Meine Urlaubsreisen finden im Umkreis von 30 Kilometern statt.
Stufe 8: Ich setze mich in meinem eigenen Auto auf den Beifahrersitz.
Stufe 9: Ich sehe einen Heimatfilm mit Hansi Hinterseer, ohne mich zu übergeben.
Stufe 10: Mein Frau und ich haben vor zwei Jahren den Beischlaf eingestellt. Wir merken es aber erst jetzt.
Stufe 11: Ich sehe jungen Frauen hinterher, weiß aber nicht warum.
Stufe 12: Ich trage einen Notfallknopf.
Stufe 13: Ein Puzzle darf nicht mehr als vier Teile haben.
Stufe 14: Ich befinde mich in einer Phase zwischen gepflegt aussehen und gepflegt werden.
Stufe 15: Ich tanze mit meinem Rollator.
Stufe 16: Ich nässe mich ein, weil ich es nicht rechtzeitig auf die Toilette schaffe.
Stufe 17: Ich nässe mich ein, weil es mir egal ist.
Stufe 18: Wenn ich morgens erwache, kacke ich zuerst. Danach stehe ich auf.
Bodybuilding
Jeder Mensch hat Ecken und Kanten. Ich nicht. Ich habe Rundungen. Deshalb trage ich mich ernsthaft mit dem Gedanken, ein Fitnessstudio aufzusuchen. Aber ich will nur geschmeidig werden wie ein Panther und nicht aussehen wie jemand, der beim Umzug behilflich sein könnte. Doch so ein Vorhaben bedarf einer sorgfältigen Planung, damit die Sache auch ein Erfolg wird.
Montag: Ich habe das Fitnessstudio gegoogelt. Der Erstkontakt ist hergestellt.
Dienstag: Bin heute am Studio vorbeigefahren. Es steht noch. Regelmäßiger Kontakt ist wichtig. Und langsam beginnen. Alexa, mach Sport für mich.
Mittwoch: Ich gehe zu Fuß zum Studio, um mich auf die Strapazen einzustimmen. Die Trainingsräume befinden sich im ersten Stock. Der Lift ist kaputt, aber die Treppe funktioniert. Am Empfang hängt ein Schild: ‚Falls ihnen die Hanteln zu schwer sind, geben sie dem Personal Bescheid. Die Mädchen helfen ihnen gerne‘. Um einer Depression vorzubeugen, entscheide ich mich für ein Probe-Abo. In drei Monaten werde ich mir selber dankbar sein. Sport wird mir das Gefühl geben, dass ich nackt besser aussehe. Wodka allerdings auch.
Donnerstag: Die erste Trainingseinheit ist vorbei. Ich kann mich zwar kaum noch bewegen und habe vor Müdigkeit Augenringe wie ein Panda, aber ich bin stolz darauf, dass ich es bis zum Ende durchgezogen habe. Der Trainer meint, jetzt sollten alle aufgewärmt sein. Als ich wieder Luft bekomme, frage ich ihn:
„Was kommt jetzt?“
„Bauch und Rücken.“
„Ihr habt einen Grill da?“
Freitag: Klar kostet das Probe-Abo Geld, und daher sollte ich auch hingehen, damit es sich lohnt. Andererseits habe ich aber auch die Couch bezahlt.
Montag: Eine gesunde Ehe lebt von gemeinsamen Interessen. Ich frage meine Frau:
„Schatz, kommst du mit ins Fitnessstudio?“
„Bin ich dir etwa zu dick?“
„Du musst nicht, wenn du nicht willst.“
„Jetzt bin ich also faul?“
„Reg dich doch nicht auf, Schatz.“
„Ach, hysterisch bin ich auch noch.“
„Das meine ich doch nicht.“
„Eine Lügnerin bin ich also auch noch.“
„Bleib doch einfach zu Hause.“
Habe ich auch gemacht.
Dienstag: Mein Trainer sagt, er habe noch nie jemand so schwitzen gesehen wie mich. Ich habe nicht geschwitzt, ich habe geweint.
Mittwoch: Im Studio ziehe ich viele neidische Blicke auf mich. Sollen die sich doch ihre eigene Pizza mitnehmen.
Donnerstag: Die Frutti di Mare auf der Pizza waren älter als gedacht. Auf der Hantelbank lasse ich einen ziehen, und der nächste drängt schon nach. Einen Tornado kann man nicht stoppen. Um Aufsehen zu vermeiden, gehe ich auf die Toilette. Doch dank der brillanten Akustik der Kloschüssel ertönt das Nebelhorn der Titanic.
Freitag: War eben eine Stunde auf dem Ergometer. Konditionell überhaupt kein Problem. Beim nächsten Mal trete ich auch in die Pedale. In zehn Minuten soll das Sixpack-Training beginnen. Aber niemand hat Bier mitgebracht. Die verarschen mich doch hier.
Montag: Ich habe eben gelesen, dass man bei einer Stunde ruhigen Sitzens 73 Kalorien verbraucht. Ich habe meinen Sport gefunden. Danach lege ich mich auf den Boden um ein paar Situps zu machen und schlafe dabei ein.
Dienstag: Das Fitnessstudio wurde geschlossen. Jetzt steht da ein Restaurant. Am Ende siegt doch immer das Gute.
Der Furz/Der Schas (Auszug)
Es ist ein äußerst unangenehmes Thema, aber da alle Menschen davon betroffen sind, lohnt sich eine nähere Betrachtung, um Sinn und Wesen dieses täglichen Naturereignisses zu ergründen. Frauen schweigen meist dazu, wir müssen aber konzedieren, dass sie weniger oft einen fahren lassen als Männer. Sie können den Mund nicht lange genug halten, um den nötigen Druck aufzubauen. Und wenn sie dennoch einen absetzen, dann schieben sie es den Männern in die Schuhe. „Wie kannst du nur vor mir einen fahren lassen?“ Am besten sagen sie dann: „Entschuldige bitte, ich wusste nicht, dass du vor mir dran warst“.
Oder die Frauen laufen ins Bad, knallen die Tür zu und man hört einen vernichtenden Schas. Danach kommen sie wieder heraus und sagen: „Ich hatte was im Auge.“ Aber Männer gehen ohnehin entspannt an die Sache heran und entwickeln manchmal sogar einen sportlichen Ehrgeiz, um die Konkurrenz zu übertrumpfen. Heringe können bis zu sieben Sekunden flatulieren. So kommunizieren sie miteinander. Genau wie Männer. (..)
Sehr heikel wird es im zwischenmenschlichen Bereich. Der größte Schritt in einer Beziehung ist nicht der erste Kuss, sondern der erste Schas. Vor allem die Reaktion darauf. Aber das beschränkt sich nicht nur auf Paare. Auch innerhalb einer Gruppe muss man Fingerspitzengefühl beweisen. Da ist es hilfreich, wenn man eine passende Erklärung parat hat. Wenn Sie im Bus einen fahren lassen, dann sagen Sie: „Ich bin zwar Torwart, aber der war unhaltbar“. Glauben Sie mir, da haben Sie die Lacher auf ihrer Seite. Auch die Wirtschaft hat sich des Themas angenommen und nutzt es auf perfide Weise.
Allen voran IKEA. Das Gebläse am Eingang ist ein aphrodisierender Elch-Schas, der die Kunden in völligem Unterbewusstsein Teelichter kaufen lässt. Fahrschulen gehen ebenfalls subtil an die Sache heran. „Gas geben und die Kupplung langsam kommen lassen“. – „Wie langsam?“ – „Wie einen Schas im Theater.“
Und selbst die Medizin wird umdenken müssen. Millionen Menschen kämpfen mit Luft im Bauch und greifen verzweifelt zu Joghurtprodukten. Das bringt doch nichts. Leute, gebt euch nicht auf. Lasst sie fahren. Und die wichtigste Regel: Lachen sie. Denn aus einem traurigen Arsch kommt niemals ein fröhlicher Schas. Damit ist die Botschaft ins All komplett.
© Fritz Rabensteiner mehr auf https://www.fritz-rabensteiner.at/ und Google Books ("Bauer sucht Frau", "Der Furz", "40 Chinesen")
Fritz Rabensteiner wurde in Steyr in Oberösterreich geboren. Eine ehemalige Lehrerin beschreibt ihn wie folgt: "Er ist innerlich hässlich, ein Gefäß voller Bosheit." Treffender kann man den Autor nicht beschreiben. Die Geschichten zu seinen Büchern schreibt das Leben. Rabensteiners Satiren und Comedy-Texte wurden bereits von zahlreichen Rundfunkstationen veröffentlicht.