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AutorenbildLady Aislinn

Das zehnte Freudenmädchen



Eine etwas andere Gutenacht-Geschichte Der Junge, der vor den unbeschriebenem Blatt saß, mochte 10 Jahre alt sein, von zierlicher Gestalt und mit einem blonden Lockenschopf. Er kaute zerstreut an seinem Federkiel, als die Rabenfrau über seine Schultern schaute und ihn am Ohr zog.


Er habe schon wieder nichts weiter gebracht, tadelte sie und sah ihn dabei liebevoll an. Das ginge so nicht weiter, denn nur durch Übung gelange er zu Meisterschaft. Seufzend beugte sich der Knabe über das Pergament und überlegte. Dann begann er zu schreiben.

“Heute ist der zehnte Tag meines zehnten Lebensjahres, und ich habe noch immer nichts zustande gebracht außer Lesen und Schreiben lernen und ein wenig von der Mathematik und so weiter. Meine Lehrer mögen sich sehr anstrengen, aber es scheint meiner Mutter nicht zu genügen.


Seit einiger Zeit jedoch beschäftigt mich etwas sehr Delikates, das mich des Nachts des Schlaf beraubt und mich morgens erschrocken erwachen lässt, denn ich weiß nicht, ob ich mich im Schlaf besudelt hätte. Ich muss an blutrote Lippen denken, an weißgefärbtes Lockenhaar, an enge Mieder, aus denen weißes Fleisch quillt und hochgehobene Röcke. Es sind ihrer zehn, und ich kenne auch ihren Namen, ihre süßen Worte und Glockenspiele, mit denen sie ihre Freier umgarnen und locken und sündigen.

Diese huldigen ihnen und liegen ihnen zu Füßen, sie entledigen sich ihrer Beinkleider und verschwinden zusammen, aber ich weiß nicht, wohin, denn ich sehe es nur von draußen, und sie sagen, ich solle mich trollen, ich bin ein ungeschickter kleiner Tropf mit einem kleinen Würmchen.

Meine Mutter sagt, wenn ich erst größer bin, würde sie mir alles erklären, und ich solle mich in Acht nehmen, aber wovor? Ich muss dieses Blatt auf das schnellste verbrennen, sonst erkennt sie an meinen roten Ohren, dass ich an verbotene Früchte denke, und zieht sie mir noch länger… nein, ich muss es sofort tun…. jetzt, auf der Stelle…..”

Als seine Mutter ins Zimmer kam, stand der Knabe mit unschuldiger Miene vor dem Feuer und lächelte sie mit seiner Zahnlücke an. Es war Zeit, zu Bett zu gehen, und es wartete eine Gutenachtgeschichte, aber die, die er eigentlich zu hören wünschte, war nicht dabei…. und warum wurde das Würmchen eigentlich größer, wenn er es gar nicht wollte?

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