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AutorenbildLady Aislinn

Das Verschwinden der Rabenfrau


..und ihres Sohnes, ein Märchen-Ende


Die Leute, die eines Tages und auch später beim Häuschen mit dem knorrigen Baum vorbeikamen, wunderten sich, dass keine schwarzgefiederten Vögel zu sehen und zu hören waren. Ausgestorben war das Gärtlein und kein junger, blonder Mann, der vor der Haustüre saß und las, zu sehen.


War ihnen die Rabenfrau, von der sie keinen Namen kannten, schon immer suspekt vorgekommen, so war ihnen ihr Verschwinden noch rätselhafter, obwohl sie insgeheim froh waren, dass die schwarzgekleidete Dame mit ihrem Sohn nicht mehr unter ihnen weilte. Alle bunten Blumen waren verwelkt und verschwunden, lediglich einige schwarze Federn und eine von makellosem Weiß lagen auf der Straße vor dem Gartentürchen.


Dann entdeckte ein Passant an der Haustüre einen mit schwarzer Tinte geschriebenen, schon etwas vergilbten Brief und wagte, ihn zu entrollen und zu entziffern. Die Schrift war etwas schnörkelig, dennoch gut zu erkennen. "Wenn ihr das lest", so stand geschrieben, " dann seid versichert, dass ihr uns nie mehr sehen werdet. Gemieden wurden wir von euch vom ersten Tag an, als meine Mutter in das Häuschen zog. Ihr habt sie beäugt, als sei sie eine Geächtete, die mit dem Teufel leibhaftig im Bunde steht. Nichts dergleichen ist wahr.

Aber nun ist die Zeit gekommen, da sie mit ihren Ahnen in die Heimat zurück gehen wird, aus der sie gekommen ist. Das Haar meiner Mutter ist weiß geworden, und ich gehe meine eigenen Wege, weit fort von hier. Ich weiß, ihr werdet nicht nach uns suchen, und so soll es sein. Möget ihr in Frieden leben und gebt das Häuschen demjenigen, der es nötiger hat.


Gezeichnet, der Rabenjunge."


Dem Passanten fröstelte ein wenig, als er dem Bogen zusammenrollte und in den Türspalt zurücksteckte. Da frischte der Wind auf, wehte eine weiße Rabenfeder von der Straße in die Höhe und ließ sie eine Weile auf-und abtanzen, bevor sie aus seinem Blickfeld verschwand.

Wohin die Bö sie so plötzlich hingetragen hatte, konnte der Passant später nicht mehr sagen, aber es war ihm, als hätte er ein leises Lachen vernommen, ein ganz leises, aber beschwingtes Lachen.



In Gedenken an Sir Rabe, der immer so frech die Meisenknödel vom Baum stahl, sie mit einiger Mühe auf des Nachbars Dach verfrachtete und dort mit seiner hinkenden Gefährtin (oder umgekehrt) teilte. Zahlreiche leer gerupfte gelbe Netzchen zeugten von der täglichen Diebestour. Leider sind beide seit 2 Winter abgängig, das tut mir leid, denn eine(r) von den beiden hatte diesen steifen Fuß, das war mein Hinkebein. Oder, wie gesagt, umgekehrt, meine Hinkebeinin.

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